Nach dem Verzicht von Landrat Michael Makiolla für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, tritt Mario Löhr für die SPD im Kreis an. Mit welchen Positionen der heutige Bürgermeister unserer Nachbarstadt Selm ins Rennen geht, hat er in einem Interview mit SPD-Aktuell klar gemacht.
SPD-Aktuell:
Viele Beobachter gingen sicher davon aus, dass Du in Selm wieder zum Bürgermeister gewählt wirst. Bei der letzten Wahl hattest Du keinen Gegenkandidaten. Du hast alle überrascht und trittst nicht in Selm sondern im Kreis an, warum?
Löhr:
Wir haben in Selm in den zehn Jahren enorm viel auf den Weg gebracht! Das war nur zu schaffen, weil wir über Parteigrenzen hinweg gut zusammengearbeitet haben. Jetzt bricht für Selm eine Phase an, wo andere mit anderen Schwerpunkten übernehmen müssen. Im Amt habe ich die Erfahrung gemacht, dass man als Stadt nicht alles selbst löst. Wir brauchen die Region – heute mehr denn je! Ich denke vor allem an die Folgen der Corona-Krise. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit. Bislang waren wir bei Michael Makiolla gut aufgehoben – ich glaube, dass ich auf meine Art neue Akzente setzen kann.
SPD-Aktuell:
Du hast mal gesagt: „Wir sind nicht die Banane von Dortmund!“. Okay, keine Banane, aber was dann?
Löhr:
Das definiert den Kreis und die Städte und Gemeinden als „in der Nähe von …“. Ich sehe das komplett anders: Wir sind die Mitte einer spannenden Region, zwischen Münster, Hamm, Dortmund, und dem Sauerland. Aus dieser Sicht entwickele ich meine Projekte!
SPD-Aktuell:
Selbstbewusstsein nimmt man Dir sofort ab. Du beziehst das aber auf den Kreis und die Kommunen, Wie soll sich das zeigen?
Löhr:
Was mich betrifft, kann ich sagen, ich bin nachdenklicher als manche meinen. Auf den Kreis bezogen meine ich, dass wir uns nicht damit abfinden dürfen, dass rings um uns die Großstädte boomen und wir zuschauen. Ich will, dass hier absehbar wieder 400.000 Menschen leben. Da braucht es Arbeitsplätze, bezahlbare Wohnungen und eine Top-Infrastruktur vom schnellen Internet über die ärztliche Versorgung, eine erstklassige Bildungslandschaft bis zu intelligenten Lösungen für die täglichen Wege. Alles wichtige Themen, auch wenn derzeit alles durch Corona überlagert wird – da müssen wir über den Tag hinausdenken.
SPD-Aktuell:
Das Wort Mobilität fällt häufig bei Dir. Ist das das herausragende Thema deiner Kampagne?
Löhr:
Das würde ich so nicht sagen. Aber tatsächlich mache ich an dem Thema einiges fest. In Bezug auf den Klimaschutz können wir bei der Mobilität als Kommunen am meisten erreichen.
Aber wir müssen den Menschen die Chance geben zur Arbeit oder zum Einkauf zu kommen. Immer mehr Autos auf die Straße zu bringen, ist keine Lösung – egal, wie die angetrieben werden.
SPD-Aktuell:
Hört sich nach mehr ÖPNV und mehr Radwegen an. Wer soll das bezahlen?
Löhr:
Das ist noch gar nicht die Frage. Zuerst finden wir heraus, was am besten funktioniert. Vieles spricht für mehr ÖPNV und für die Vernetzung mit dem Rad. Das muss ein stimmiges Paket sein, Einzelmaßnahmen reichen da nicht aus. Die Aufenthaltsqualität und die gefühlte Sicherheit müssen stimmen und am Ende auch der Preis.
Ich glaube auch, dass wird richtig Geld kosten. Aber ich bin nicht bereit, das Thema deshalb gar nicht erst anzupacken. Das gilt übrigens auch für den Übergang vom Westfalentarif in den VRR. Das ist für viele ein echtes Hemmnis für den Umstieg auf den ÖPNV. Manches ist nur gefühlt, oft ist der Übergang aber richtig teuer. Das müssen wir ändern.
SPD-Aktuell:
Ein anderes Top-Thema: Die ärztliche Versorgung. Absehbar werden wir hier einen spürbaren Rückgang an Fachärzten und auch an Allgemeinmedizinern haben, weil einfach viele in den Ruhestand gehen. Siehst Du die Versorgung gefährdet?
Löhr:
Zumindest sehe ich das Problem, die Zahlen sind ja bekannt. Das trifft uns ja nicht nur bei einer Pandemie. Auch hier gilt, wenn wir Ärzte in die Region holen wollen, dann muss das Umfeld stimmen. Die lassen sich ja nicht bei uns nieder, wenn wir denen sagen: „Komm zu uns, wir werden weniger, da hast Du nicht soviel zu tun“. Also gilt auch hier das Thema selbstbewusst angehen. Es gibt ja gute Konzepte.
SPD-Aktuell:
Du kommst aus der Wirtschaft und Du hast in Selm viel erreicht, gerade, was neue Arbeitsplätze angeht. Bislang reden wir noch gar nicht über deine Kernkompetenz: Arbeit und Wirtschaft …
Löhr:
… stimmt, ich komme aus der Wirtschaft und ich bin gut vernetzt. Das hat ab und an geholfen. Man sieht die Dinge nicht nur aus Politiker- oder Verwaltungssicht.
Arbeit und Wirtschaft bleiben wichtige Themen für mich. Vor allem, weil wir Arbeit brauchen, jetzt wieder vermehrt, wir hatten vor der Corona-Krise ja schon einen Silberstreif gesehen. Wenn wir die Arbeitslosenzahlen im Kreis senken, dann haben wir auch im Kreishaushalt wieder mehr Luft.
SPD-Aktuell:
Angenommen, das gelingt, wozu willst Du diese Spielräume nutzen?
Löhr:
Zuallererst müssen wir die Kommunen entlasten. Dafür sind aber vor allem Land und Bund zuständig – da erwarte ich einen Rettungsschirm für die Kommunen und deren Gesellschaften, die durch die Corona-Krise in Schieflage geraten.
Aber wir müssen schauen, dass wir unsere Aufgaben erfüllen – auch die, die nicht „pflichtig“ sind. Michael Makiolla hat es immer verstanden, die Kulturleuchttürme bei uns zu erhalten und zu entwickeln. Ich will da weitermachen. In Selm hat uns eine Bürgerstiftung sehr geholfen – mal sehen, was wir im Kreis auf die Beine stellen können!
SPD-Aktuell:
Mario Löhr verfügt offensichtlich über einige Erfahrung, die er mit ins Amt brächte. Was wäre denn neu für Dich?
Löhr:
Der Rollenwechsel zum Beispiel – vom selbstbewussten Bürgermeister zum Landrat, der es mit zehn selbstbewussten Bürgermeistern zu tun hat. Dazu zähle ich ausdrücklich meinen Werner Amtskollegen Lothar Christ dazu, mit dem ich in den letzten zehn Jahren erstklassig zusammengearbeitet habe. Mit Elke Kappen aus Kamen ist ja jetzt eine weitere Frau dazu gekommen, nach der Wahl sind es hoffentlich noch mehr. Das wird den Stil verändern, das Selbstbewusstsein aber nicht. Ich kann damit umgehen.
Dazu kommt auch der Landrat als Chef der Kreispolizeibehörde …
SPD-Aktuell:
… womit wir beim Thema Sicherheit wären.
Löhr:
Ja, das stimmt, aber ich will das Thema nicht auf die Arbeit der Polizei reduzieren. Das hat auch viel damit zu tun, wie wir miteinander umgehen und mit den Grenzen, die wir ziehen. Wir lernen da ja gerade alle miteinander. Ich fasse das gerne unter dem Begriff „Respekt“ zusammen. Den Respekt untereinander müssen wir wieder in den Blick bekommen – da sind wir alle gefordert!
SPD-Aktuell:
Das hört sich alles nach viel Arbeit an. Wie willst Du das schaffen?
Löhr:
Nicht alleine! Meine Stärke ist es Menschen an einen Tisch zu bringen und Lösungen zu finden. Ich kann Mehrheiten organisieren und Politik durchsetzen. Und ich gebe nicht auf, wenn es mal nicht sofort klappt.